Kommentar von Martin Rotzinger zum BZ-Artikel „Parteiübergreifend gegen Atomkraft“ vom 12.02.2011

Am 10. Februar fand in Waldkirch eine von der Bürgerinitiative „Energiewende Waldkirch“ initiierte Podiumsdiskussion zur zukünftigen Energiepolitik statt, zu der die Landtagskandidaten Alexander Schoch (Grüne), Monika Strub (Linke), Hanns-Georg von Wolff (FDP) und Sabine Wölfle (SPD) erschienen. Marcel Schwehr (CDU) hingegen glänzte mit Abwesenheit. Dafür befanden sich, sicherlich zur Überraschung zahlreicher Anwesender, ebenfalls einige Piraten unter dem Publikum – unter anderem auch deren Landtagskandidat für Emmendingen und angehender Physiker Martin Rotzinger.

Martins Versuche etwas Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen wurden unglücklicherweise von Moderator Karl-Heinz Hagel unterbunden, da man „nur politische Fragen […] stellen und auf naturwissenschaftlich-physikalische Rechenbeispiele […] verzichten“ solle. Auch die geladenen Kandidaten waren augenscheinlich nicht dazu bereit das Thema auf sachliche Art und Weise zu diskutieren, sondern waren lediglich darauf bedacht ihre persönliche Anti-Atom-Meinung bzw. den Standpunkt ihrer Partei zu vertreten.

Außerdem wurde wohl während des Abends und im Artikel „Parteiübergreifend gegen Atomkraft“ der Badischen Zeitung der Eindruck vermittelt Martin Rotzinger oder die PIRATEN stünden für die Atomkraft.

Um für etwas Aufklärung zu sorgen, hat Martin deshalb folgenden Kommentar zum genannten Zeitungsartikel verfasst:

Niemand muss Physiker sein, um sich ein Bild machen zu können

Jeder sollte alles kritisch hinterfragen und sich nicht von Adjektiven oder Zahlen, die man auf Anhieb nicht versteht, blenden, beeindrucken oder einschüchtern lassen. Dazu muss man kein Physiker sein.

Die Physik lässt sich aber nicht durch politische Phrasendrescherei ändern. So sehr sich manch einer dies auch wünschen möge.

Ich kritisiere nicht Frau Wölfles Mengenangabe von 4500t Atommüll, die durch die Laufzeitverlängerung zusätzlich anfallen, sondern die Art und Weise der Präsentation: Eine unglaublich große Zahl. Für Menschen nicht vorstellbar. Ich kann ihre Worte nicht mehr haargenau zitieren, aber so ähnlich hat sie diesen Müllberg beschrieben.

Denken Sie selbst nach – sonst tun es andere für Sie – und versuchen Sie sich diesen großen Müllberg einmal vorzustellen: Atommüll besteht hauptsächlich aus Uran, ist also auf jeden Fall „schwerer“ als Wasser, d.h. er wird weniger Raum einnehmen als die gleiche Menge an Wasser. 1 Liter Wasser wiegt 1 kg, also wiegt 1 Kubikmeter Wasser 1 Tonne. 4500 Tonnen wären also 4500 Kubikmeter.

Ein Schwimmbecken 2m tief, 50m lang und 10m breit, hat ein Volumen von 1000 Kubikmetern.

Die Größe des Müllbergs ist also schätzungsweise kleiner als 4,5 Schwimmbecken – eine Größenordnung, die sich jeder von uns vorstellen kann.

Wenn man nun die ausgebrannten Brennelemente betrachtet (dies ist der problematische Anteil des Mülls), so bestehen diese hauptsächlich aus nicht spaltbarem Uran 238, schnell zerfallenden Spaltprodukten („halbe Urankerne“) und aus den, im Reaktor aus Uran 238 entstandenen, Transuranen (Plutonium, etc..).

Die Spaltprodukte haben kurze Halbwertszeiten und sind nach ~1000 Jahren soweit in stabile Kerne zerfallen, dass die Restaktivität der Aktivität von natürlich vorkommendem Uranerz entspricht. Bei den Transuranen dauert dies ~500.000 Jahre.

Transurane sind allerdings als Energieträger verwertbar. Abtrennen des Plutoniums und eine Art Müllverbrennung in einem Kernreaktor, würde das Problem der sicheren Lagerung von ~500.000 Jahren auf kleiner 1.000 Jahre reduzieren. Das Uran 238 ist unproblematisch. Würde man es aber „mitverbrennen“, könnte man nochmals ca. 60x soviel Energie aus dem Atommüll gewinnen, wie bereits schon daraus erzeugt wurde. Atommüll ist also ein recyclebarer Wertstoff!

Für solche Reaktoren, die inhärent sicher gebaut werden können, gibt es verschiedene Umsetzungskonzepte die unter Generation IV – Kraftwerke zusammengefasst sind.

Die PIRATEN haben sich in ihrem Wahlprogramm für ein Festhalten am 2002 beschlossenen Atomausstieg und die Förderung der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen ausgesprochen.

Ich persönlich sehe sowohl die Probleme bei der Nutzung der Kernenergie als auch die Lösungsansätze, z.B. bei der Wiederverwertung des Atommülls – Forschung ist notwendig. Doch leider ist das Thema Atomenergie in Deutschland zu emotional besetzt um aktuell sachlich nach Lösungen zu suchen. Hier haben die Klüngeleien zwischen Energiekonzernen und Regierung sowie die intransparente und faktisch nicht nachvollziehbare Auswahl völlig ungeeigneter Zwischen- bzw. Endlager ganze Arbeit geleistet.

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muss Physiker sein, um sich ein Bild machen zu können

Jeder sollte alles kritisch hinterfragen und sich nicht von Adjektiven oder Zahlen, die man auf Anhieb nicht versteht, blenden, beeindrucken oder einschüchtern lassen. Dazu muss man kein Physiker sein.
Die Physik lässt sich aber nicht durch politische Phrasendrescherei ändern. So sehr sich manch einer dies auch wünschen möge.

Ich kritisiere nicht Frau Wölfles Mengenangabe von 4500t Atommüll, die durch die Laufzeitverlängerung zusätzlich anfallen, sondern die Art und Weise der Präsentation: Eine unglaublich große Zahl. Für Menschen nicht vorstellbar. Ich kann ihre Worte nicht mehr haargenau zitieren, aber so ähnlich hat sie diesen Müllberg beschrieben.
Denken Sie selbst nach – sonst tun es andere für Sie – und versuchen Sie sich diesen großen Müllberg einmal vorzustellen: Atommüll besteht hauptsächlich aus Uran, ist also auf jeden Fall „schwerer“ als Wasser, d.h. er wird weniger Raum einnehmen als die gleiche Menge an Wasser. 1 Liter Wasser wiegt 1 kg, also wiegt 1 Kubikmeter Wasser 1 Tonne. 4500 Tonnen wären also 4500 Kubikmeter.
Ein Schwimmbecken 2m tief, 50m lang und 10m breit, hat ein Volumen von 1000 Kubikmetern.
Die Größe des Müllbergs ist also schätzungsweise kleiner als 4,5 Schwimmbecken – eine Größenordnung, die sich jeder von uns vorstellen kann.

Wenn man nun die ausgebrannten Brennelemente betrachtet (dies ist der problematische Anteil des Mülls), so bestehen diese hauptsächlich aus nicht spaltbarem Uran 238, schnell zerfallenden Spaltprodukten („halbe Urankerne“) und aus den, im Reaktor aus Uran 238 entstandenen, Transuranen (Plutonium, etc..).
Die Spaltprodukte haben kurze Halbwertszeiten und sind nach ~1000 Jahren soweit in stabile Kerne zerfallen, dass die Restaktivität der Aktivität von natürlich vorkommendem Uranerz entspricht. Bei den Transuranen dauert dies ~500.000 Jahre.
Transurane sind allerdings als Energieträger verwertbar. Abtrennen des Plutoniums und eine Art Müllverbrennung in einem Kernreaktor, würde das Problem der sicheren Lagerung von ~500.000 Jahren auf kleiner 1.000 Jahre reduzieren. Das Uran 238 ist unproblematisch. Würde man es aber „mitverbrennen“, könnte man nochmals ca. 60x soviel Energie aus dem Atommüll gewinnen, wie bereits schon daraus erzeugt wurde. Atommüll ist also ein recyclebarer Wertstoff!
Für solche Reaktoren, die inhärent sicher gebaut werden können, gibt es verschiedene Umsetzungskonzepte die unter Generation IV – Kraftwerke zusammengefasst sind.

Die PIRATEN haben sich in ihrem Wahlprogramm für ein Festhalten am 2002 beschlossenen Atomausstieg und die Förderung der Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen ausgesprochen.
Ich persönlich sehe sowohl die Probleme bei der Nutzung der Kernenergie als auch die Lösungsansätze, z.B. bei der Wiederverwertung des Atommülls – Forschung ist notwendig. Doch leider ist das Thema Atomenergie in Deutschland zu emotional besetzt um aktuell sachlich nach Lösungen zu suchen. Hier haben die Klüngeleien zwischen Energiekonzernen und Regierung sowie die intransparente und faktisch nicht nachvollziehbare Auswahl völlig ungeeigneter Zwischen- bzw. Endlager ganze Arbeit geleistet.
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3 Antworten zu Kommentar von Martin Rotzinger zum BZ-Artikel „Parteiübergreifend gegen Atomkraft“ vom 12.02.2011

  1. Bernhard Baumann sagt:

    Atommüllmengen noch viel größer

    Nur mit einem Tunnelblick gelingt es, die Müllmenge als so gering wahrzunehmen.
    Tatsächlich beginnt die Atommüllproblematik schon viel früher, nämlich schon bei der Gewinnung von Uran und nicht erst bei den abgebrannten Kernbrennstäben.
    Um für diese Brennstäbe 1 Tonne von spaltbarem Material mit einem Uran235 Gehalt von 2-3% zu erhalten benötigt man ca 3-4 t Natururan, welches nur zu 0,7% aus U235 besteht. Der Rest ist zu ca 99,3% U238.

    Uran ist ein recht seltenes Element, mit einem maximalen Gehalt im Erz von 2-2,5%.
    In der weltgrößten Mine Olympic Dam in Australien liegt der Anteil bei ca 0,03%!.
    Dort benötigt man für diese Tonne spaltbarem Material bzw 3-4 t Natururan eine Erzmenge von etwa 14.000 Tonnen, die zunächst unter hohem Energieaufwand fein zermahlen werden und aus denen das Uran mit hohem Einsatz von Chemkalien (Lösungsmitteln, Säuren, Laugen) extrahiert wird. Die restlichen 13.997 Tonnen werden als radioaktiv belastetes Material auf riesigen Abraumhalden abgelagert oder verbleibt in großen Klärschlammbecken (Tailings). 80 % der ursprünglichen Radioaktivität verbleibt in diesen offenen Halden.
    Die Renaturierung der Uranbergwerke in Deutschland (ehem. Wismut AG) kostet den Steuerzahler ca 6,8 Mrd Euro.
    In Ländern wie Namibia, Niger, Tanzania aus denen zunehmend das Uran für den Weltmarkt stammt, benötigt man diese Mittel nicht, bzw findet sich niemand der an eine Renaturierung der Abbaugebiete denkt. Dort sind die riesigen radioaktiv belasteten Abraumhalden ungeschützt den Sandstürmen, aber auch den Niederschlägen ausgesetzt.
    Das Grundwasser wird belastet, der Abraum wird in landwirtschaftliche Anbaugebiete verweht, die radioaktiven Substanzen gelangen in die Nahrungskette, Radon wird freigesetzt und eingeatmet. Tumore, Leukämie, Missbildungen, genetische Defekte sind die Folge.
    „Sauberes“ Uran wird zu uns importiert, der Abraum und das hieraus entstehende Risiko nicht.
    Die Müllproblematik fängt also schon hier an. Und mit jedem Tag der Laufzeitverlängerung wird die Nachfrage nach Uran weiter angeheizt und die Menschen dort in den Abbaugebieten samt der Umwelt verheizt.

    Welche Müll Probleme dann zusätzlich durch die abgebrannten Brennstäbe entstehen können, kann man nun ja eindrucksvoll in Japan studieren. Ob 50, 80oder 135 Tonnen – das ist dann gar nicht mehr wesentlich – vor allem wenn klar ist, dass schon geringste Spuren davon tödlich sein können.

    Ob die Transmutation tatsächlich so große Chancen bietet, oder ob nicht auch hier die Risiken überwiegen, wird man sicher erforschen müssen, aber dazu brauchen wir keine Kernkraftwerke mit diesen unabschätzbaren Risiken deren Eintritt wir nun beklagen.

  2. Wer trägt das Risiko?

    Wer soll das Risiko dieser möglichen Transmutationstechnologioe tragen?
    Auf der Webseite vo janschejbal http://janschejbal.wordpress.com/2009/10/01/die-kosten-der-atomkraft/ wurde schon vor längerer Zeit die Frage nach der Finanzierung der potentiellen Risiken der Atomkraft sehr gut dargestellt.
    Ähnlich informativ ist die aktuelle Kampagne http://www.atomhaftpflicht.de/hintergruende.php3.
    Forschung in diese Richtung mag in begrenztem Umfang sinnvoll sein, aber sie darf nicht wieder in der Umsetzung einer Hoch-Risiko-Technologie münden für die dann wierde die gesamte Gesellschaft gerade stehen muss.
    Die Technologie des Schnellen Brüters um Uran 238 zu verwerten – über den Umweg der Produktion von Plutonium, das dann wieder gespalten werden kann – ist völlig unakzeptabel, da damit die Risiken beim Betrieb mit MOX -Brennelementen, dem Transport der abgebrannten Elemente, der Wiederaufarbeitung…. nur noch mehr erhöht würde.

  3. Marco sagt:

    „Forschung in diese Richtung mag in begrenztem Umfang sinnvoll sein, aber sie darf nicht wieder in der Umsetzung einer Hoch-Risiko-Technologie münden für die dann wierde die gesamte Gesellschaft gerade stehen muss.“

    Da muss ich Herrn Baumann zustimmen, denn meiner Meinung nach haben wir nichts gewonnen, wenn wir eine Risikotechnologie durch eine andere ersetzen.

    Dennoch finde ich es äußerst wichtig das Problem des mehrere hunderttausend Jahre strahlenden Atommülls nicht einfach so unter den Teppich zu kehren, sprich in einem Endlager unterzubringen. Es wäre unverantwortlich nicht nach angemesseneren Alternativen zu suchen – was beispielsweise die Rot-Grüne-Koalition, obwohl sie den Atomausstieg initiiert hat, komplett versäumt hat.

    Ob hierbei die Transmutationstechnologie die wahre Lösung ist – und ob sich auch so risikobehaftet ist wie die derzeitig eingesetzten Kernreaktoren – kann ich nicht beurteilen, da mir hierzu das nötige Hintergrundwissen fehlt. Allerdings kann ich auf einen informativen Artikel in der Welt vom 14.09.2010 mit dem Titel „Transmutation: Atommüll wird in 20 Jahren nicht mehr strahlen“ hinweisen.

    Auf jeden Fall bin ich fest davon überzeugt, dass die Endlagerung oder die Transmutation sicherlich nicht die einzigen Lösungen sind. Deshalb sollten wir ergebnisoffen nach einer oder vielleicht sogar nach mehreren Antworten auf die Atommüllfrage suchen. Kann sein, dass wir dann erneut bei der Endlagerung landen, aber dann haben wir wenigstens versucht etwas besseres zu finden. Doch dazu brauchen wir unbedingt eine sachliche Diskussion zu diesem Thema – spätestens dann, wenn alle Meiler in Deutschland stillgelegt wurden.

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