Nach Stuttgart 21 ist die geplante Erweiterung der Rheintalbahnstrecke auf insgesamt vier Gleise das größte Bahnprojekt in Baden-Württemberg. Und wie auch bei Stuttgart 21 gibt es hier zahlreiche Proteste. Proteste von Bürgern, die in Gemeinden und Städten wohnen, durch welche die neue Bahntrasse laut aktueller Planung führen soll.
Um die vorgesehenen Bauplätze zu besichtigen und Gespräche mit Anwohnern, Bürgerinitiativen und Kommunalpolitikern zu führen, war letztes Wochenende Rüdiger Grube, seines Zeichens Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG und der DB Mobility Logistics AG, zwischen Offenburg und dem ungefähr 120 Kilometer entfernten Weil am Rhein unterwegs.
Zwei neue Bahngleise sollen – neben den bereits bestehenden – unter anderem durch die Städte Herbolzheim und Kenzingen führen, denen Rüdiger Grube am Samstag einen Besuch abstattete.
In Herbolzheim wurde er unter anderem vom hiesigen Bürgermeister Ernst Schilling, dem Kenzinger Bürgermeister Matthias Guderjan und nach Angaben der Polizei von etwa 1.500 bis 2.000 Menschen direkt neben der Bahntrasse empfangen. Begrüßt wurde er von den anwesenden Bürgern mit Applaus, vielen Transparenten, aber auch mit Trillerpfeifen.
In seiner Rede, die übrigens mehrmals durch vorbeifahrende Züge gestört wurde, machte Grube deutlich, dass er verstärkt den Dialog mit den Bürgern suchen und die Pläne für den Ausbau der Bahnstrecke Karlsruhe-Basel auf den Prüfstand stellen möchte. „Wir wollen verhindern, dass es hier ein zweites Stuttgart 21 gibt“, so der Bahnchef. „Im Gegensatz zu Stuttgart sind wir bei der Rheintalbahn in einer Phase, in der man noch Einfluss nehmen kann.“ Die Ergebnisse der Überprüfung werden vermutlich erst Ende 2011 zur Verfügung stehen.
Des Weiteren erkannte Grube die Forderungen der Bürgerinitiative Bürgerprotest Bahn e. V. Herbolzheim-Kenzingen an. „Alles, was heute gesagt wurde, ist richtig.“ Zudem betonte er, dass die Menschen im Rheintal nicht grundsätzlich gegen den Ausbau seien. Allerdings fordern diese fast überall einen besseren Lärmschutz durch eine optimierte Trassenführung.
Auch die Bundesregierung steht seiner Meinung nach in der Pflicht und soll für eine veränderte Trassenführung und den Lärmschutz mehr Geld zur Verfügung stellen. Er favorisiert dabei eine möglichst schnelle Umrüstung der rund 150.000 Güterwaggons auf moderne Bremssysteme aus Verbundstoff, welche das Rollgeräusch deutlich vermindern. Konkretere Details nannte er jedoch nicht.
Es ist Grube hoch anzurechnen, dass er den Dialog mit den Betroffenen sucht und sich nicht hinter seinem Schreibtisch verkriecht. Auch wir Elzpiraten konnten uns persönlich vor Ort von der Lärmsituation der Anwohner überzeugen. Die von der Bürgerinitiative aufgestellten, aus Kunststoffplanen bestehenden „Lärmschutzwände“ zeigten deutlich, wie die geplante Trassenführung die Städte „zerschneidet“.
Der Ausbau der Rheintalschiene als wichtige Schlagader der Alpentransversale Rotterdam-Genua ist ein bedeutendes Infrastrukturprojekt, auch unter dem Gesichtspunkt möglichst viel Schwerlastverkehr von der Strasse auf die Schiene zu verlagern. Der Ausbau muss aber im Dialog mit den Betroffenen stattfinden, sonst wird er von diesen nicht akzeptiert werden. Es ist zu begrüssen, dass der Bahnchef die Pläne für einen Bau der Güterverkehrsgleise entlang der A5 prüfen lassen will. Wenn er aber sagt, er baue keine neuen Güterverkehrstrassen durch geschlossene Ortschaften, so drückt er sich rhetorisch äußerst geschickt aus: Denn auch nach den derzeitigen Plänen würde zwischen Offenburg und Kenzingen eine ICE-Neubaustrecke gebaut, und der Güterverkehr maßgeblich auf den alten Schienen der Rheintalbahn abgewickelt werden.
Inwiefern die Bahn auf einen beschleunigten Personenfernverkehr zwischen Offenburg und Freiburg verzichtet und ob die alternative Streckenführung entlang der Autobahn fair geprüft werden wird, wird sich zeigen.
Wichtig ist in jedem Fall, dass ein konstruktiver Dialog auf beiden Seiten geführt wird, und die Bahn keine Hinhaltetaktik fährt. Denn was der Schwabe kann, kann der Badener schon längst ;).
Auszug aus dem Landeswahlprogramm 2011 der Piratenpartei Baden-Württemberg:
Alpentransversale besser bedienen
Wir wollen einen zügigen Ausbau der Zulaufstrecken auf die neue Alpentransversale, insbesondere der Rheintalbahn (Karlsruhe-Basel) und Gäubahn (Stuttgart-Singen-Zürich), um dem hohen Anteil an Gütertransitverkehr auf der Schiene gerecht zu werden.
Die Bedenken und Anliegen der Anwohner insbesondere in Bezug auf Lärmschutzmaßnahmen und Trassenführung müssen dabei in die Planung einbezogen werden. Auch ein Ausbau der Strecke auf der französischen Rheinseite soll von Baden-Württemberg aus angeregt werden.