Seit einigen Wochen wird ein Entwurf zum neuen Bildungsplan in Baden-Württemberg heftig diskutiert. Das Arbeitspapier des Kultusministeriums sieht vor, die Akzeptanz „sexueller Vielfalt“ gegenüber lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und queeren Menschen (LSBTTIQ) im Bildungsplan ab 2015 zu verankern.
Die Bildungs(plan)-Gegner – vor allem aus dem konservativ-evangelikalen und rechten Umfeld – hatten am Samstag den 1. März 2014, bereits zum zweiten mal zu einer Demonstration gegen die angebliche „Indoktrination“ ihrer Kindern auf dem Stuttgarter Schlossplatz aufgerufen.
Die Interessengemeinschaft CSD Stuttgart rief daraufhin zu einer „Kundgebung für Vielfalt“ auf dem Stuttgarter Marktplatz auf. Als Teil der IG CSD Stuttgart hatte auch die Piratenpartei Stuttgart zu der Kundgebung aufgerufen.
Zusammen mit den 300 bis 400 Teilnehmenden haben Piraten aus ganz Baden-Württemberg und darüber hinaus gemeinsam für Vielfalt, Akzeptanz und Respekt in unserer Gesellschaft demonstriert. Die direkte Frage eines Redners an die Teilnehmenden ergab, dass auch viele heterosexuelle Menschen auf dem Marktplatz waren, um ihre Solidarität mit LSBTTIQ-Menschen zu zeigen. Die Veranstalter bedankten sich humorvoll für dieses „Outing“ 😉
Die IG CSD Stuttgart bat die Teilnehmenden, im Anschluss keine Konfrontation mit der Demo auf dem Schlossplatz zu suchen oder die Demonstration aktiv aufzuhalten. Die berechtigte Sorge: Der diesjährige CSD in Stuttgart könnte von provozierten Gegnern ebenfalls gestört werden. Stattdessen sollte in einem Schweigemarsch den Opfern von Homophobie und Verfolgung durch repressiven Staaten gedacht werden.
Laut Stuttgarter Zeitung war bei der Demonstration der Bildungsplan-Gegner eine erschreckende Menge von 800 Teilnehmern auf dem Schlossplatz zusammengekommen, um ihre abstrusen und realitätsfernen Befürchtungen, Unterstellungen und Verleumdungen zum Ausdruck zu bringen: Auf Plakaten waren populistische Sprüche zu lesen, wie „Keine Sex-Videos in der Grundschule“, „Gegen 100.000-fache Vergewaltigung an Schulen“ oder „Aufklärung mit 4, wie krank seid ihr?“ und viele weitere Sprüche. Außerdem wurden der Landesregierung und den Lehrenden in Baden-Württemberg ernsthaft die Unterstützung von Pädophilie unterstellt.
Die sichtlich aufgebrachte Menge skandierte immer wieder lautstark: „Kinder brauchen Liebe, keinen Sex“. Die Demonstrierenden „gegen Indoktrination“ wurden hier offenbar selbst indoktriniert. Eltern hatten zudem ihre Kinder mitgebracht, die die Thematik gar nicht verstehen oder verarbeiten können. Damit haben sie ihre eigenen Kinder gegen ihren Willen instrumentalisiert.
Die äußerst verzerrte und populistische Sicht der Gegner zeigt, dass sie den Entwurf zum Bildungsplan 2015 offensichtlich weder gelesen noch verstanden haben können. Im Bildungsplan finden sich weder Handlungsanweisungen für Sexualpraktiken, noch werden andere Lebensentwürfe als „besser“ im Vergleich zum traditionellen Familienbild dargestellt. Es geht lediglich darum, Akzeptanz und Toleranz gegenüber LSBTTIQ-Menschen zu vermitteln und sie als Teil unserer vielfältigen Gesellschaft zu respektieren.
Ein Wunsch der LSBTTIQ-Community ist es, dass unter Jugendlichen verbreitete Schimpfworte wie „Du schwule Sau“ oder „Schwuchtel“ und Mobbing durch Aufklärung und Respekt im Schulalltag entgegengewirkt wird. Solche homophoben Beschimpfungen verletzen homosexuelle Schülerinnen und Schüler sehr.
Die Piratenpartei steht für eine zeitgemäße Geschlechter- und Familienpolitik. Wir stellen uns entschieden gegen Homophobie und jegliche Form von Diskriminierung von „Andersartigkeit“. Wir unterstützen die Ziele des Bildungsplans für mehr Akzeptanz und Vielfalt in unserer Gesellschaft und zeigen uns solidarisch mit allen LSBTTIQ-Menschen.
Da könnte im Ländle des Gehörtwerdens doch gleich mal wieder gelebte direkte Demokratie in Form eines VA praktiziert werden.